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Offener Brief zum Thema Alleinerziehende

Betreff: Alleinerziehende in Deutschland brauchen keine symbolischen vier Euro – sie brauchen funktionierende Strukturen

Sehr geehrte Frau Prien, 

wir von Invest4Kids führen täglich Gespräche mit Eltern, die für ihre Kinder vorsorgen möchten. Dabei sehen wir sehr deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen politischer Theorie und gelebter Realität ist. Besonders Alleinerziehende schildern uns immer wieder, dass sie unter einem System leiden, das sie eigentlich entlasten sollte.

Uns erreichen regelmäßig hunderte Nachrichten und Kommentare von Müttern, die offen über ihre finanzielle und emotionale Situation sprechen. Ihre Erfahrungen zeigen: Trotz Arbeit, Engagement und Eigenverantwortung bleibt der Alltag vieler Alleinerziehender geprägt von strukturellen Hürden, Überlastung und fehlender Planungssicherheit.

1. Arbeit am Limit – fehlende Entlastung trotz Eigeninitiative

Viele Alleinerziehende leisten weit mehr, als ein Mensch auf Dauer leisten kann. Sie arbeiten in Teilzeit, oft zusätzlich im Nebenjob, und tragen gleichzeitig die alleinige Verantwortung für Haushalt und Kinder. Staatliche Unterstützung greift selten, und die Bürokratie kostet zusätzliche Zeit und Energie.

„Ich, als alleinerziehende Mama, ohne Support vom Vater der Kinder, kann das nur bestätigen, dass man/Frau als Alleinerziehende nicht unterstützt wird. Ich arbeite das Maximum in Teilzeit, was mir mit meinen Kindern möglich ist, und habe noch einen Minijob, den ich abends, wenn die Kinder schlafen, im Homeoffice ausführe – ohne den es gar nicht funktionieren würde.“

Trotz dieses Einsatzes bleibt am Ende des Monats häufig kaum Spielraum. Das Gefühl, sich abzumühen, ohne voranzukommen, prägt viele Lebensläufe.

2. Fehlende Betreuungsstrukturen und steigende Belastung

Neben den finanziellen Herausforderungen ist auch die Betreuungsrealität ein zentrales Problem. Viele Eltern berichten von unzuverlässigen Öffnungszeiten, häufigen Krankheitsausfällen und Personalmangel in Kitas. Dadurch wird Erwerbsarbeit zur täglichen Unsicherheit.

„Ich brauche keine Handreichungen vom Staat. Ich brauche Zeit zum Arbeiten. Entweder müssen die Väter verpflichtet werden, sich zu kümmern, oder der Kindergarten muss endlich zuverlässig funktionieren.“

Auch die steigenden Kosten für Kinderbetreuung belasten Alleinerziehende zusätzlich.

„Kindergeld steigt und gleichzeitig die Kita-Gebühren“

Verlässliche, bezahlbare und qualitativ hochwertige Betreuung ist die Voraussetzung dafür, dass Eltern arbeiten können. Diese Grundvoraussetzung ist derzeit vielerorts nicht gegeben.

3. Vier Euro mehr Kindergeld – keine reale Entlastung

Die jüngst geplante Erhöhung des Kindergeldes um vier Euro wird von nahezu allen Alleinerziehenden als reine Symbolpolitik wahrgenommen. In den allermeisten Fällen führt sie nicht zu einer tatsächlichen Entlastung, weil die Summe durch die Anrechnung auf den Unterhaltsvorschuss oder andere Leistungen wieder neutralisiert wird.

„Ich finde, einer alleinerziehenden Mutter mit Unterhaltsvorschuss bleibt nichts von der Erhöhung, da es verrechnet wird.“

„Steigt das Kindergeld, sinkt der Unterhaltsvorschuss! Alleinerziehende ohne Support bleiben auf der Strecke!“

Das Ergebnis ist paradox: Eine gesetzlich beschlossene Erhöhung führt in der Praxis zu keiner Verbesserung der Lebenssituation. Teilweise fällt die Unterstützung sogar geringer aus als zuvor.

Diese Praxis ist ein Beispiel dafür, wie gut gemeinte Maßnahmen ihre Wirkung verlieren, wenn sie nicht systemisch gedacht werden. Eine Entlastung, die im Alltag nicht ankommt, ist keine.

4. Strukturelle Nachteile und Altersarmut

Langfristig führt dieses System dazu, dass Alleinerziehende kaum Chancen haben, Rücklagen zu bilden oder fürs Alter vorzusorgen. Viele können nicht mehr Stunden arbeiten, weil die Betreuung fehlt. Gleichzeitig wird ein höheres Einkommen direkt mit Abzügen belegt.

„Man ist gezwungen, weniger zu arbeiten, um nicht ‚bestraft‘ zu werden. Niemand denkt daran, dass man so natürlich auch kaum etwas in seine eigene Rente einbezahlen kann und eine Altersarmut quasi vorprogrammiert ist.“

Hinzu kommt die ungleiche Bewertung von Care-Arbeit: Mütter, die Kinder erziehen und so die Zukunft dieses Landes sichern, werden wirtschaftlich benachteiligt.

„Wir erziehen die Kinder für die Zukunft, die in die veraltete und völlig überholte Rentenkasse einzahlen. Wir selbst bekommen aber keinen Ausgleich dafür, dass wir dafür sorgen – und wenn wir Teilzeit arbeiten, werden wir quasi noch bestraft, obwohl wir die wichtigste Arbeit als Mamas leisten, die es überhaupt gibt.“

5. Wohnungsnot und fehlende Planungssicherheit

Viele Alleinerziehende berichten, dass sie trotz Einkommen keine Wohnung finden. Vermieter lehnen sie häufig ab, und die steigenden Mieten machen Familienleben auf engem Raum zur Dauerbelastung.

„Ich finde keine Wohnung!!! Alleinerziehend mit Zwillingen. Suche seit 5 Jahren nach einer bezahlbaren Wohnung.“

Wohnraum ist die Basis für Stabilität und Teilhabe – auch für Kinder. Wenn selbst das nicht gesichert ist, wird gesellschaftliche Gleichberechtigung zur leeren Phrase.

6. Zusammenfassung

Die Rückmeldungen aus unserer Community zeichnen ein klares Bild:

Es fehlt nicht an Motivation oder Verantwortung, sondern an politischen Rahmenbedingungen, die es Eltern ermöglichen, beides zu tragen – Arbeit und Familie.

Das derzeitige System ist zu kompliziert, zu unflexibel und zu realitätsfern. Es braucht eine Familienpolitik, die nicht nur symbolisch entlastet, sondern tatsächlich wirkt.

Unsere Forderungen

  1. Anrechnungssysteme reformieren:
    Eine Kindergelderhöhung darf nicht zu Kürzungen anderer Leistungen führen. Jede finanzielle Entlastung muss bei den Familien spürbar ankommen.
  2. Betreuung sichern statt Symbolpolitik:
    Investitionen in Personal, Infrastruktur und Ganztagsangebote sind der Schlüssel, um Erwerbstätigkeit von Eltern zu ermöglichen.
  3. Care-Arbeit anerkennen:
    Erziehungsarbeit ist eine gesellschaftliche Leistung. Sie muss bei Rente, Steuer und Absicherung berücksichtigt werden.
  4. Bürokratie abbauen:
    Der Zugang zu Leistungen wie Bildung und Teilhabe muss vereinfacht und beschleunigt werden.
  5. Elterngeld an Lebensrealität anpassen:
    Das Elterngeld wurde seit seiner Einführung im Jahr 2007 nicht erhöht. Eine regelmäßige Anpassung an Inflation und Reallohnentwicklung ist notwendig, um Eltern realistisch zu entlasten und die ursprüngliche Zielsetzung des Elterngeldes wiederherzustellen.
  6. Wohnraum sichern:
    Alleinerziehende benötigen Vorrang beim sozialen Wohnungsbau und faire Mietbedingungen, um ihren Kindern Stabilität zu bieten.

Schlusswort

Alleinerziehende leisten täglich, was für zwei Menschen gedacht ist. Sie halten Familien, Bildung und Arbeitswelt zusammen – oft ohne Rückhalt. Es ist Aufgabe der Politik, diese Realität anzuerkennen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihre Leistung nicht bestrafen, sondern ermöglichen.

Im Namen der vielen Mütter und Väter, die in unserer Community täglich ihre Erfahrungen teilen, 

Das Invest4Kids-Team

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